Über Runen

 

Die Runen sind keine Buchstaben (Buchenstäbchen), sondern stellten ursprünglich in Zeichen gesetzte Begriffe zum besseren gegenseitigen Verstehen dar. Sie kanalisierten gewissermaßen die Mundarten und machten sie über eine Art Vergleichskatalysator versteh- und über- setzbar. Die Begriffe betrafen nicht nur den profanen täglichen Umgang, sie bezogen auch die erlebbare Umwelt und den Kosmos ein und erweiterten sich so zu einer Art mathematisch-kosmischer Kraftzeichen. Schließlich entwickelte sich der Glaube, dass die Runen nicht nur der Verständigung dienende Begriffsbilder waren, sondern linsenartige Sammel- und Kontaktstellen zu den Bildungskräften aus dem Kosmos selbst, die durch Tragen oder Einritzen auf derartig behandelte Gegenstände oder Menschen übertragen werden können. Damit erhielten sie nunmehr auch die Bedeutung von Heilszeichen. Der Weg vom Schrift- zum Heilszeichen dürfte trotz der menschlichen Anlage zum Mystizismus sehr lang gewesen sein. Alte Fels- Zeichnungen und Fundstücke weisen auf die Verwendung als Verständigungs-mittel hin. Auch die Umwandlung in Buchstaben ist älter als die Aera der Heilszeichen. Bekanntlich entwickelten die germanischen Dorer aus ihnen das griechische Alphabet, aus dem die Römer dann ihre Schreibschrift formten und erst vor 1200 Jahren die Brüder Cyril (Kyriltos) und Method ihreglagolithische. Unsere Heils-, Segen- und Schutzdeutung entnehmen wir dem "Liede des Hohen" aus der Edda (von eh da). Dort wird zwar auf alte Überlieferungen (Saga ^Gesagtes) verwiesen, dennoch sind die ältesten Aufzeichnungen erst etwa 1200 jähre alt, entstanden also in der Zeit Karls des Großen; die Edda erheblich später. Sie ist eine der christlichen Schrifttumsvernichtungswelle vor 1000 Jahren entgangene Skaldendichtung. Die Skalden (kommt von Schelte) gab es seit etwa 850 n.Ch. Sie waren norwegische Dichter und "Troubadoure". Der mit dem orientalischen Christentum vornehmlich von keltischen Ländern aus vordringende kabbalistische Heilszeichenfetischismus dürfte der Motor für die seit dieser Zeit zu beobachtende Deutungswanderung sein. Zumindest die skaldischen, vielleicht auch die spätgermanischen Mysterien, bedienten sich der Runen als kosmische Kraftzeichen. Dazu muss man wissen, dass die Germanen zu den mathematisch-konstruktiv geprägten Europiden gehören, kosmische Betrachtungen also in Richtung der Astronomie betrieben, während die Orientalen der drawidischen Sinnes- und Gefühlswelt entstammen und die Einwirkung der kosmischen Kräfte auf diese beziehen, also astrologisch denken, was naturgemäß zur Heilszeichenverehrung führt. Das römische Priestertum hat als alleiniger Erzieher der Jugend und Ausbilder der "Wissenschaftler" nur Fuß fassen können, indem es die Überlieferungen im Volke seinen Zwecken gemäß umdeutete. Nach wenigen Generationen waren so die alten Inhalte vergessen und die neuen zu Segnungen des kosmischen Heils geworden. Die Heils-, Segens- und Schutzzeichen inflationierten. Die Mönche waren im Erfinden unerschöpflich. Besonders in Mittel- und Südamerika lässt sich dies heute noch hautnah verfolgen. In nordischen Ländern wurden aus dem Gerichtsbezirk unter Vorsitz einer Frau, Maria im Rosenhag; aus den Pflegerinnen der heiligen Haine, der Hagedisen, die Hexen; aus dem Anmahner des Rechts vor der Julnacht, der Nikolaus; aus dem Frühlingsfest, Ostern, das neuerdings sogar vom jüdischen Passahfest abgeleitet wird; aus der Neugeburt der Sonne die Kind- (Sohnes)-geburt jesu usw. Warum nicht aus den Sinnzeichen für kosmische Zusammenhänge Heilszeichen, wie oder den gekreuzigten Christus, der die Darstellung der Man-Rune ist, stilisieren? Wenn ich von Runen-Okkultismus spreche, meine ich das Hochspielen von Bedeutungen jüngeren Datums, die bereits aus der christlich-germanischen Verdrängungszeit herrühren und von daher alt- und frühgermanische Dinge deuten. Dass jeder sich seine Heils- und Segens- wie Schutzzeichen wählen kann, wie er es für sich heilbringend erachtet, dass er die damit verbundenen Legenden verinnerlicht und dass er daraus seine Kräfte zieht, wird durch mich nicht infrage gestellt. Ich mag manche Dinge anders sehen und beurteilen, unterstütze aber jeden, der mit seinem seelischen Umfeld in inniger Wahrheit lebt. Andererseits liegt mir aber daran, jenen Raum vor den an- drängenden "Ismen" und absoluten Erlösungsthesen frei zu halten, den jeder einzelne Mensch gemäß seiner inneren Ausgestaltung braucht. Auch ist es mir ein Anliegen, auf die der jesuitisch geprägten Forschung innewohnenden Gefahr des Hineindeutens und Hineingeheimnissens hinzuweisen, die gerade im Komplex der Runendeutung und ihrer Datierung obwaltet. Da heißt es, die Runen stammten aus dem 2.-14.Jhdt.n.Chr. und seien Ableitungen aus der lateinischen Schrift, entwickelt durch ungebildete Primitive des nördlichen Europa (weiße Neger). Die entzifferten Übersetzungen der vielgestaltigen Runenalphabete erhärteten angeblich die Aussage, dass die Lautwerte als Buchstaben gebraucht wurden und die Begriffswerte den Tieren und Pflanzen des Bauernhofes wo wie den Wetter Erscheinungen entnommen wurden. Lediglich die Skalden hätten dann vor 800 Jahren Legenden, Mythen und Götterdramen daraus gezaubert. Diese gezielten Fehlinterpretationen und zweckdienlichen Halbwahrheiten wirken sich leider auch, mangels Widerspruch und Nachdenken, in den heute gepflegten Runenkulten aus. Die zünftige Forschung und ihre Nachbeter sind darauf geeicht, daß das Licht aus dem Osten kommt, vergessen aber zu erwähnen und in ihre Gedanken einzubeziehen, dass täglich auch von dort die Finsternis über uns hereinbricht. Wissenschaftlich lassen sich die Runen in die verschiedensten Zusammenhänge ordnen und mit davon abgeleiteten Bedeutungen ver- sehen. Es waren die verschiedensten Alphabete (Futharke) in Ge- brauch. Alle diese Ableitungen versuchten in profaner und kultischer Hinsicht den Entstehungsgrund auszuleuchten, haben ihn aber meines Dafürhaltens mehr verwässert als verdichtet. So ist die kosmische Deutung von Dr.Teltscher ebenso abzulehnen wie das nachträgliche Erfinden von Herkunftsbildern zu den Runen (R.v.Bülow). Legt man die Edda zugrunde (12.Jhdt.), ergibt sich als verhältnismäßig neutrale und verlässliche Aussage: Diese Ausführungen scheinen aber bereits sehr christlich-keltisch beeinflusst zu sein, denn von dort wandern die orientalischen magischen Zeichen gen Norden. Dass nicht alle Runen magisch ausgedeutet sind, weist auf den Abbruch der Arbeit wegen der inzwischen erfolgten Christianisierung hin. Frühzeitliche Germanen, die sich Hausmarken und Erkennungszeichen (Wappen) zulegten, dachten damals wie heute wohl weniger an kosmische Schutzkräfte, als an einprägsame und aussagefähige Symbole. Nur heute wird bei allen archäologischen Funden und sonstigen alten Darstellungen grundsätzlich ein Religions- oder Magiebezug hergestellt; eine Unsitte, wie die vielen profanen Statuen und Nippesfiguren der Gegenwart beweisen. Warum sollten unsere Vorfahren nicht auch Freude am zweckfreien Gestalten schöner Dinge gehabt haben, besonders, da sie dem unduldsamen und zensierenden Priestertumorientalischer Mönchsorden noch nicht ausgeliefert waren? Nur unter deren Patronat entstanden ausschließlich Heiligenfiguren. Dies auf die vorchristliche Zeit zu übertragen ist eine dummdreiste Infamie. Sogar zum Tragen geprägte Amulette können, wie heute, mit kunstsinnigen Zeichen verziert gewesen sein, die nicht als Heilszeichen gedacht waren. Die gegenwärtigen Amulette mit den Tierkreiszeichen sind es auch nicht, selbst wenn Forscher in 5000 Jahren solches hineindeuten sollten. Damit will ich es bewenden lassen. Wenn ich auch versuche, an der vorchristlichen Vergangenheit unseres Volkes anzuknüpfen, so will ich dennoch nicht Altes oder vermeintlich Altes neu beleben, sondern Neues auf den Weg bringen. Ich will das Tor in die Zukunft öffnen helfen, nicht das in die Vergangenheit. Ich will schöpfen, nicht reformieren.